Oman: Von Salalah zur Strasse von Hormus

Oman: Von Salalah zur Strasse von Hormus

Verwöhnt vom Luxus eines Hotels am südwestlichsten Punkt unserer Reise, machen wir uns auf den Weg der Küste entlang Richtung Muscat, und besuchen schöne Wadis, die allerdings ausserhalb der Regenzeit meist ausgetrocknete Flussbeete sind. Wo dann tatsächlich Wasser ist, ist es auch grün. In der kargen Landschaft verstecken sich Palmengärtchen mit kleinen Wasserbecken. Die Pools laden zum Baden ein. Bei heissem Klima können solche mit stehendem Wasser leider problematisch sein wegen der Bilharziose, einer Tropenkrankheit, bei der ein Wurm seine Eier unter der Haut ablegt und die Organe auch noch Jahre später befallen und beschädigt werden können. Wir haben sehr Respekt davon und lassen uns nicht verführen. Zum Glück werden manche Pools so mit fliessendem Wasser versorgt, dass auch wir zu unserem Badespass kommen.

Die Landschaft wirkt lebensfeindlich, in den Oasen ist das Leben aber üppig: Schattenspendende Palmen, Gemüseanbau auf kunstvoll geschaffenen Terrassen und fein verzweigte Wasserkanäle.

Wir treffen auf wunderschöne, weisse, feinsandige Strände. Sie tragen auch entsprechende Namen wie Sugar Dunes und Malediven Beach und sind meist nur mit Allrad erreichbar und dementsprechend wenig besucht. Wir sichten Delphine und können eine Krebsfamilie beobachten, die aus der Brandung hinausläuft, um sich danach wieder ins Wasser treiben zu lassen und bewundern biofluoreszierende Algen, die bei grandiosem, mondfreiem Sternenhimmel blau in den Wellen leuchten.

So herrlich die Strände in den wenig touristischen Regionen sind, so hässlich ist der liegengelassene Abfall. Und was im Meer entsorgt wird, kommt unweigerlich zurück, wo es herkommt. Und wo keine Touris sind, ist auch kein Putzdienst. Bei den Strandspaziergängen treffen wir auch immer wieder auf verendete Fische und Schildkröten. Gemäss Meeresbiologen scheinen viele Meeresbewohner zu verhungern: Sie fressen den dahinschwimmenden Plastik, der ihnen den Magen füllt, nicht verdaut werden kann, im Magen liegen bleibt und keinen Platz mehr lässt für richtiges Futter. Unfassbar und traurig! Uns bleibt nur, den Abfall rund um unsere Übernachtungsplätze wegzuräumen, was jedes Mal mehre grosse Einkaufstüten füllt, und diese im nächsten Container zu entsorgen. Dies im Wissen, dass es nach uns wieder gleich vermüllt aussehen wird und in der Hoffnung, dass der Containerinhalt nicht an der nächsten Klippe entsorgt wird…

Auf einem unserer Strandspaziergänge grüsst uns ein älterer Omani aus einem Zelt, läuft auf uns zu und lädt uns mit einer Handbewegung zu sich ein – und dann zu einem Bier. So treffen wir 8 omanische Pensionäre aus dem Raum Muscat, die einmal im Jahr ihre Männerfreundschaft mit einem wöchigen Zeltlager am Beach «feiern» – mit ausreichend Bier und Wein – Alkohol inklusive. Einer der Herren war Diplomat und behält sein Privileg einer Alkohollizenz bis zum Lebensende. Beim Bier erfahren wir einiges über deren Leben: Einer war IT-Spezialist, der in Neuseeland studiert und für die omanische Armee gearbeitet hat. Der erwähnte Diplomat war einige Jahre in Deutschland stationiert und kennt damit Europa sehr gut. Um dem omanischen Sommer zu entfliehen, verbringt er die heissen Monate in Europa bei seinen Freunden. Da ist auch ein Fotograph, der vor 30 Jahren in Basel eine grosse Ausstellung mit seinen Werken eröffnet hat und in der Welt herumgekommen ist. Eine fantastische Gesprächsrunde, die gerne Auskunft gibt, wie flexibel sie die unterschiedlichen Kulturen leben. Obwohl sie mit den westlichen Rollenmodellen bestens vertraut sind und zwischen den Kulturen hüpfen, ist das eigene Rollenmodell eindeutig traditionell: Die Frauen kümmern sich um die sozialen Kontakte in der Grossfamilie und pflegen die Eltern. Die Männer arbeiten und besorgen das Geld. Aus dem Mund des Diplomaten: Die Männer verdienen es und die Frauen geben es aus 😊. Am Strand sind alle westlich gekleidet, zu Hause traditionell. Sie betrachten denn auch die geltenden omanischen Lebensregeln sehr differenziert: Das eine ist Religion, das andere ist Tradition und das dritte ist Politik, sprich Macht. Einer meint, für ein freies Denken lohne es sich immer, diese Bereiche auseinanderzuhalten.

Sie kommen alle aus der gleichen Gegend, aber von unterschiedlichen Dörfern und gehören damit unterschiedlichen Stämmen an, von denen es etwa 220 gibt. Chef eines Stammes ist der Scheich. Der omanische Präsident ist der Sultan, der regiert nach Konsultation der Scheichs.  Die Herren sehen den Oman als Friedensvermittler. Sie wollen in keine Händel hineingezogen werden und betonen, dass der Oman religionsmässig relativ liberal sei, dass man aber die Erwartung habe, dass die religiös geprägten Traditionen respektiert werden. Wir Besucher könnten Botschafter sein für das friedliche Arabien.

Als wir die vermüllten Strände erwähnen und fragen, ob kein Bewusstsein in der Obrigkeit vorhanden sei, meinen sie, Littering sei Thema in den Schulen und sie selbst würden wie wir den Abfall rund um ihr Camp sammeln und entsorgen. Es sei aber schwierig und brauche viel Zeit. Welche Sisiphusarbeit zu leisten ist, sehen wir an einem Morgen auf einem Parkplatz: ein eifriger Strassenwischer ist dabei, Abfall vom Vorabend aufzuwischen. Aber anstatt den gefüllten Abfallsack im nahen Container zu entsorgen, schüttet er den Inhalt am Strand aus. Nicht zu fassen. Zum Glück wird die Landschaft sauberer, je mehr wir uns den Tourismus-Gegenden nähern. Es scheint sich also doch etwas zu tun…

Natürlich nutzen wir die Gelegenheit, etwas über die Gesichtsverschleierung zu erfahren und sind überrascht zu erfahren, dass diese im Koran nicht vorgeschrieben ist. In Mekka sei es sogar verboten, beim Umrunden der Kaaba das Gesicht zu verdecken. Verschleierung ist eben Tradition und nicht Religion, und sei von Afghanistan hergekommen. So fragen wir uns, wem sie denn nützt? Den Männern, damit die Frauen in der Öffentlichkeit als Individuen nicht sichtbar sind und somit auch nicht als solche ernst genommen werden müssen? Oder den Frauen, weil sie sich so dahinter verstecken können?

Die Trennung der Geschlechter erkennen wir bei Details: So gibt es in Moscheen und Malls getrennte Gebetsräume, und auch auf den Tribünen für die Kamelrennen sind die Zuschauerbereiche getrennt. Staatliche Kleidungsvorschriften gibt es nur noch wenige, in der Moschee und beim Baden. Doch obwohl kein Kopftuchzwang besteht, trägt die überwiegende Mehrheit der Frauen ein Ganzkörperkleid. Dass sich Viele in Schwarz kleiden ist kein Ausdruck von konservativer Einstellung. Schwarz ist schlicht Mode. Wie schnell kann die Interpretation aufgrund eigener Werte doch in die Irre führen. Die omanischen Männer tragen häufig eine Dishdasha (bodenlanges Kleid), ganz in weiss oder in dunklen Farben sowie ein Kopftuch oder ein Käppi. Wie man sich kleidet, wird zur Hauptsache vom Stamm bestimmt. Wir Besucher können hier mit Ausnahmen so sein, wie wir es gewohnt sind.

Autofahren ist für Frauen normal. Doch die Selbständigkeit hat ihre (versteckten) Grenzen: Bei einer zufälligen Begegnung erzählt uns eine Berlinerin, die seit ein paar Wochen in Muscat Arabisch lernt, dass eine Lehrerin nicht am gemeinsamen Nachtessen mit männlichen Kollegen teilnehmen konnte, weil ihr Ehemann damit nicht einverstanden war. Frauen müssten die Ehemänner, Väter oder Brüder fragen. Wie bei uns in den 50er Jahren. Nicht wegen einem Gesetz, sondern wegen der Tradition!

Gutsituierte Omanis haben mehrere Frauen und viele Kinder. Jede Frau (und damit Familie) hat ihr eigenes Haus. Der Mann kann so seine Stärke, er ist ein «strong man» und seinen Status zeigen. Die Frauen haben ihre Kinder und sind wirtschaftlich abgesichert.

75% der omanischen Bevölkerung sind Gastarbeiter, meist aus Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Indonesien. Die sind hier zum Geldverdienen für ihre Familien in der Heimat. Damit möglichst viel übrig bleibt, kaufen sie sich am Anfang eines Monats einen Sack Reis, von dem sie 30 Tage lang ausschliesslich leben. Wir treffen die meist jungen Männer an den Tankstellen, auf Baustellen, als Gärtner, Putzkräfte und als Kellner und staunen ein wenig über die Freundlichkeit dieser Menschen in ihrem schwierigen Alltag. Ein sehr netter 25jähriger Bangladeschi erklärt uns, er sei schon 6 Jahre im Oman, schicke den Lohn nach Hause und habe kein Geld, um seine Familie zu besuchen. Auf die Bemerkung, er trage viel Verantwortung, zuckt er mit den Schultern: Was kann ich denn ändern? So ist es nun mal.

Nach vielen Kilometern auf Teerstrassen «dürsten» wir wieder nach Sandpisten und finden sie in den Wahiba Sands, einer langen Sanddünenkette im Osten des Omans. Unser Übernachtungsplatz befindet sich bei einer Wüstenmoschee im Nirgendwo, die der junge Sultan (heutiger Präsident) vor 5 Jahren errichten liess. Der Imam predigt hier nur an Freitagen vor wenigen Menschen. Nebenan lebt ein Bangladesi, der für 100 omanische Rial (die er natürlich nach Hause schickt – etwa 250 CHF pro Monat) täglich die Toiletten reinigt für gelegentliche Besucher. Da die Einrichtung öffentlich zugänglich ist, dürfen wir dort auch duschen, solange keine Moslems da sind, die ihre Füsse fürs Gebet waschen wollen. Er bekommt von uns einen Rial als Trinkgeld – und freut sich sehr darüber. Unglaublich, welche zwei Welten sich bei dem Gespräch für einen kurzen Moment berühren. Ja, die öffentliche Ordnung des Oman würde zusammenbrechen ohne diese dringend auf Geld angewiesenen billigen, ausländischen Arbeitskräfte…

Nach dem ersten, problemlosen Tag der Wüstendurchquerung beweist das Sprichwort «Hochmut kommt vor dem Fall» doch noch seine Gültigkeit: Der Sand ist zum Teil sehr tief und die Rampen überraschend steil. Wir nutzen all unsere Möglichkeiten und nehmen dreimal Anlauf – und schaffen es doch nicht, auf der Sandpiste hochzufahren. Beim vierten Anlauf fahren wir durch das Gebüsch nebenan und umfahren so die grösste Steigung. Erfolgreich – aber mit der Erkenntnis, dass auch wir an unsere Grenzen stossen können bei steilem Gelände und tiefem Sand.

Der Oman hat nicht nur Wüste, Strände und Wadis zu bieten, sondern auch Gebirge im Norden (Al Akhdar Gebirge und Ash Sharki Gebirge) mit schroffen, steinigen Bergen, die bis zu 3000 Metern hoch sind. Zu sehen sind Felswände in unterschiedlichsten Farben und dazwischen Palmen auf kleinsten Felsterrassen. Und wo Wasser ist, sind auch Dörfer mit Menschen – und damit auch ungeteerte Strassen (Pisten), um sie mit dem Notwendigsten zu versorgen. Von Meereshöhe geht’s auf 2100 Meter, dann wieder hinunter. Steigungen und Gefälle von stellenweise 35 Grad. Ist kein Druckfehler! Absolut spektakulär! Trotz Untersetzung und 1. Gang müssen wir bremsen, weil es so steil ist. Und so fragen wir uns: Muss man wahnsinnig sein, da hinauf- und hinunterzufahren?  Im Prinzip nein, aber es hilft…

🚐 Was für ein Weg steil hinauf. Ich sehe nur noch Himmel. Und dann geht’s hinunter ins Bodenlose. Eine Achterbahn für 4-Rädrige – nur nicht so schnell und ohne Looping.

Ganz speziell ist das Wadi Nakr, der Grand Canyon des Oman. Welch ein Einschnitt ins Tal. Unten bleibt kaum Platz für die Piste im Flussbett. Die Spur ist sehr weich und steinig, aber mit Allrad und Untersetzung zu schaffen. Es wird zwischen den Felsbrocken auch so eng, dass die Kabine nicht allzu stark schwanken darf. Weit hinten im Tal endet die Piste, von da an führt ein Pfad über grosse Felsbrocken hinweg den Flusslauf hinauf. Wo der Weg versperrt ist, müssen wir über den Fels hinaufklettern. Zum Glück sind sie mit Armierungseisen als Tritte und mit Ketten gut gesichert. Am Ende des Tals erwartet uns dann nach 90 Minuten ein grossartiges Bild: eine grosse Grotte mit mehreren Wasserpools (mit Fischen!), einer davon ausreichend tief zum Schwimmen. Und wir allein. Fantastisch! Aber auch der Blick von der Kante oben ist absolut sehenswert und zeigt das Ausmass dieses Wadis.

Zufällig erfahren wir von Kamelrennen, die eine Woche lang stattfinden. Wo ist klar, aber um welche Zeit? Auf unsere Frage sagt man uns: von 7 – 13 Uhr und von 14 – 16 Uhr. Als wir um 9 Uhr auf dem Racecourse ankommen, herrscht gähnende Leere. Deshalb fragen wir einen Angestellten vor Ort und der meint «bis 10 Uhr»… Wir warten mal ab, weil wir ja schon dort sind und erfahren, dass die Rennen auch um 13 Uhr, 12 Uhr, 17 Uhr oder um 14 Uhr stattfinden könnten. Keiner weiss es wirklich, doch jeder gibt freundlich Auskunft. Ab 13Uhr ist zunehmend «Betrieb», um 13.30 gehen wir zur Tribüne, deren VIP-Teil schon halb gefüllt ist mit Omanis (die spezifischen Bereiche für Frauen und Männer sind leer) und dürfen uns in die 2. Reihe setzen. Um 14Uhr ist dann der 1. Start und nach 10 Minuten steht der erste Sieger fest. Von Spannung unter den Zuschauern ist nichts zu spüren. Wie ein Social Event am Nachmittag. Dann kommen Omanis mit dem Krummdolch, die sich in die erste Reihe setzen. Nach dem 2. Rennen kommen nochmals Krummbedolchte, die von den Anwesenden stehend begrüsst werden und in der Mitte der 1. Reihe sitzen dürfen. Offensichtlich sind das «die Wichtigen». Dann wird der 1. Reihe omanischer Kaffee serviert mit der traditionellen Puddingspeise. Als ihre Gäste bekommen auch wir davon. Das 4. Rennen endet um 15Uhr, dann ist Siegerehrung mit Pokalübergabe. Es folgen noch Interviews und Fotos – irgendwie unspektakulär. Dann ist der Spuk vorbei.  

Wir sind in Musandam angekommen, einer Enklave des Omans, die komplett von den Vereinigten Arabischen Emiraten umgeben ist und stehen an der Strasse von Hormus, der Verbindung des Persischen Golfs mit dem Indischen Ozean.

Nach 2 Monaten nehmen wir Abschied von einem schönen, vielseitigen Land und sehr freundlichen Menschen, die uns immer das Gefühl gegeben haben, dass wir willkommen sind. Die sehr «gesittet» und rücksichtsvoll Auto fahren. Die sich nicht darüber aufgeregt haben, dass wir ihre noch nicht ganz fertiggestellte und freigegebene Autobahn (wie die Einheimischen) befahren haben.

🚐 Und ich werde die vielen Dromedare, Esel, Ziegen und Hühner vermissen, die mir freilaufend auf der Strasse begegnet sind und werde weiterhin darüber staunen, dass sie immer wissen, wo ihr Zuhause ist und dass ihnen nichts passiert auf der Fahrbahn. Offensichtlich sind die Tiere in meiner Heimat dümmer als hier, denn dort sind alle eingezäunt😊.

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