Vom Persischen Golf zum Arabischen Meer

Vom Persischen Golf zum Arabischen Meer

Ja, wir sind am Arabischen Meer angekommen, geniessen in Salalah den wunderbar feinen Sandstrand bei herrlichen Sommertemperaturen und erholen uns von anstrengenden Reisetagen. Und mit der Durchquerung der Sanddünen der Rub-al-Chali liegt ein weiteres Highlight unserer Reise hinter uns. Doch gemach, gemach. Beginnen wir mit dem Abschied aus dem Iran.

Für die Ausreise aus dem Iran brauchen wir 3 Stunden, die Einreise in den Irak dauert sogar 5 Stunden. Und so reicht es am Abend in der Dämmerung grad noch, einen Übernachtungsplatz an einem Kanal gleich hinter der Grenze anzusteuern. Aussteigen und ums Fahrzeug gehen, ist noch erlaubt, spazieren gehen gleich daneben aber nicht, denn das Feld, neben dem wir stehen, ist noch verseucht mit Tretminen aus dem Konflikt mit Kuwait 1991. Willkommen im Alltag der Iraker. Doch wir dürfen trotzdem jubeln: Das Kopftuch ist von nun an nicht mehr vorgeschrieben und bleibt, wo es in unserer Kultur hingehört: in den Kleiderschrank.

Den Irak verlassen wir gleich am nächsten Tag wieder. Für die Ausreise brauchen wir 3 Stunden, weil ein Beamter für das Kopieren von Dokumenten «ausnahmsweise» 2 Dollar pro Person verlangt und sich ein Teammitglied darüber so empört, dass der Beamte sich weigert, für uns weiterhin seinen Job zu machen ☹️. Wir bezahlen schliesslich die Hälfte, damit wir keine Wurzeln schlagen müssen und siehe da, danach geht es wieder vorwärts 😊. Ob es die Auseinandersetzung wert war?

Kuwait beweist uns, dass die Einreise in ein Land noch schleppender ablaufen kann als in den Irak. Wir brauchen geschlagene 5 Stunden. Unglaublich, wie viele Kopien von Hand geschrieben werden müssen, obwohl sich die Daten schon im Computer befinden. Mit Mittagessen, Tee trinken, beten und Rauchpause bleibt auch nicht mehr so viel Zeit zum Arbeiten – und wer arabisch spricht, kommt offenbar viel schneller ans Ziel. Auch hilft es nicht, sich ungeduldig zu zeigen, dies verlangsamt die Beamten sofort (das gleiche Teammitglied). Wir schaffen es bei Dunkelheit grad noch zum nahen, ruhigen Übernachtungsplatz.

Kuwait-City ist wirklich nichts Besonderes. Es wirkt leblos und steril. Von der kriegsbedingten Zerstörung vor 30 Jahren, als der Iraker Saddam Hussein beim Truppenrückzug alle kuwaitischen Öltürme in Brand steckte und den Tag zur dunklen Nacht machte und so einen riesigen Schaden an der Umwelt verursachte, sieht man heute nichts mehr. Die Stadt wurde neu gebaut mit grosszügig angelegten Autobahnen. Alle Oberflächen sind teerversiegelt und was grün aussieht ist Kunstrasen.

Von den 4.3 Millionen Einwohnern sind 75% Fremdarbeiter aus Indien, Pakistan, Bangladesch und Indonesien. Sie machen die Arbeit und die Kuwaitis lassen sich bedienen. Uns gegenüber sind sie aber sehr freundlich. Als wir vor einer Geldumtausch-Bude stehen, erkundigt sich ein sehr netter Kuwaiti, ob uns Kuwait gefällt. Über unsere seit dem Iran standardisierte Antwort «ja sehr» (Näheres bei Interesse nach unserer Heimkehr 😉) ist er sehr erstaunt. Er erkundigt sich gar, warum. Zum Glück müssen wir nichts erfinden, denn der Währungsumtausch beginnt.

Um einen schönen Blick auf die Skyline der Stadt, besonders «by Night», zu bekommen, installieren wir uns auf einem öffentlichen Parkplatz auf einer von zwei kleinen, der City vorgelagerten Inseln und geniessen die Ruhe und die Sonnenstrahlen bis zum Sonnenuntergang. Von wegen Ruhe: Wir haben uns schon lange in unser Häuschen zurückgezogen, als junge Kuwaiter den Platz mit ihren Autos in Besitz nehmen und laut beschallen. Party-Time, und wir mittendrin ☹️. Die besonders Testosterongetriebenen drehen auf der Miniinsel ihre Runden in ihren aufgemotzten Autos mit heulendem Motor. Frauen sehen wir kaum. Wem wollen die Jungs denn imponieren?

So um 23Uhr wird es tatsächlich ruhiger und die Autos fahren weg. Doch dann ein unangenehmes Knirschen: Ein junger Kuwaiti ist mit seinem PW zu schwungvoll zurückgefahren und hat eine Rückleuchte vom Camper eines unserer Teams demoliert. Die rechte Hinterseite des PW ist ziemlich verbeult. Von da an geht es rund: Schock und Wut beim Geschädigten dynamisieren die Ereignisse. Statt etwas Geld für den Ersatz zu verlangen, lässt er die Polizei rufen für einen «sauberen» Rapport und hofft so auf eine Reparaturentschädigung. Die Polizei kommt 90 Minuten später (!). Der Polizist lässt den jungen Autofahrer laufen, ohne die Personalien aufzunehmen (wahrscheinlich kennt ihn), sammelt den Pass vom Geschädigten ein und zwingt ihn so, auf die Wache mitzukommen. Sie versuchen gar, ihm ein Vergehen anzuhängen, das ihn ins Gefängnis bringen würde. So kann er froh sein, nach 3 Stunden wieder bei seinem Fahrzeug zurück zu sein, zwar ohne Polizeirapport, aber wenigstens mit dem Ausweis. Und somit keinen Schritt weiter – ausser mit der Erfahrung, dass man in einem arabischen Land (gilt übrigens auch für Afrika und Südamerika) bei Bagatellen niemals auf die Polizei setzen, sondern Schäden, wenn immer möglich, bilateral regeln sollte.

Die Ausreise aus Kuwait und die Einreise in Saudi-Arabien gehen innert 2 Stunden flott. Saudi-Arabien lässt uns auf seinen Autobahnen in einer kahlen Weite «Strecke machen», denn in der Öde gibt es nicht viel zu sehen und Rubi soll nach dem iranischen, sehr schwefelhaltigen Diesel bald einen kleinen Service bekommen. Die Garage, die wir ansteuern, entpuppt sich als goldrichtig:  Hinfahren, Preis vereinbaren, Arbeiten lassen und nach 1 Stunde ist alles picobello erledigt für wenig Geld. Wir sind erleichtert, dass es so reibungslos abgelaufen ist und gönnen uns bei einer Hamburgerbude wieder mal einen feinen Burger mit Pommes als Alternative zu den arabischen Gerichten.

Ja, und dann biegen wir ab von der Hauptstrasse auf eine Piste, die uns zu den ersten Sanddünen bringt. Die nächste Herausforderung steht bevor: Ein Sandfahrtraining als Vorbereitung auf die Durchquerung der Rub-al-Chali, der grössten Sandwüste des Planeten. Wir müssen herausfinden, was das eigene Fahrzeug denn so kann und wie wir diese Fähigkeit als Fahrer nutzen können und sind ziemlich nervös vor der ersten Sandfahrschule. Unser Rubi und wir als Fahrer meistern dann aber den vorgegebenen Weg souverän, was unser Selbstvertrauen etwas stärkt. Das Ganze findet in einer idyllischen Umgebung statt: auf ein paar respektablen Dünen an einem schönen See bei traumhaftem Wetter. Und weil Wochenende ist, frönen die «Einheimischen» ihrem liebsten Hobby: Picknicken und den Sonnenuntergang geniessen, und das am höchsten Punkt der grössten Düne. Und so nehmen sie Anlauf mit ihren PWs und brettern die Düne hinauf. Drei motorisierte Gleitschirmpiloten nutzen die «Gunst des Moments» für bewundernde und ängstliche Blicke und machen sich einen Spass daraus, so tief über uns hinweg zu fliegen, dass sie fast riskieren, mit den Flügeln an unserem Autos hängen zu bleiben.

Drei Saudis, die mit ihrem Pickup locker zu uns auf die Düne gefahren sind, sind gesprächig. Der Jüngste, der Fahrer, arbeitet einen Monat Offshore bei der Ölfirma bei 12 Stunden Schichten und hat dann einen Monat frei. Er ist Supervisor Assistent, also nicht mehr Arbeiter und ist zufrieden mit seinem Lohn. Die Arbeit der «Workers» sei sehr gefährlich, berichtet er. So fehlen Vielen ein paar Finger. Er nimmt uns mit in seinem Auto und «rast» mit viel Schwung auf die grosse Düne. Die Aussicht ist sensationell. Er holt dann auch noch seine Kumpels hoch und so ergeben sich weiter Gespräche. Der Älteste ist 70, hat 3 Frauen und nach eigener Aussage 8 Kinder. Auf die Nachfrage, ob es Söhne sind, sagt er «Ja». Wir fragen nach, ob er keine Töchter habe und er antwortet mit «8». Schon verrückt: Töchter zählen in seinem Universum überhaupt nicht.

Die Fahrt in den Südosten Richtung Oman führt uns bald in die Rub-al-Chali und damit durch fantastische Dünenlandschaften. Bald bricht die Internetverbindung ab und damit unsere Verbindung zur Welt. Und weil der letzte Übernachtungsplatz vor der omanischen Grenze wegen neuen Leitplanken nicht mehr ansteuerbar ist, verbringen alle Teams die 2 letzten Nächte zusammen abseits der Strasse auf einem Dünengürtel. Der anschliessende Spaziergang auf die Düne lässt uns den Sonnenuntergang geniessen. Unglaublich, welche Dünenformen der Wind mit dem Sand herzaubern kann und wie schnell der Wind Fussspuren tilgt und alles wieder jungfräulich aussieht.

Nach herrlich ruhigen Nächten ist es neblig am Morgen. Davon lebt die Wüste. Nach dem Aufklaren geht es erstmal wieder über die Sandpiste hinunter zur Strasse. Dann die grosse Überraschung: Die Strassenseite für unseren Zugang wird auch hier mit Stahlträgern und Leitplanken abgesperrt, die Arbeitsequipe ist schon an der Einmündung zu unserer Piste. Einen Tag später wären wir dort wahrscheinlich nicht mehr ohne Weiteres herausgekommen. Glück gehabt.  Die Leitplanken sind danach fast durchgehend montiert bis zur Grenze.

Die Ausreise aus Saudi-Arabien und Einreise ins Sultanat Oman verläuft reibungslos. Eine SIM-Karte bekommen wir auch, schicken kurz Weihnachtsgrüsse nach Hause und biegen ab in die Dünenlandschaft. An diesem Tag reicht es noch, auf der Piste mit grobem Wellblech zum Übernachtungsplatz zu fahren vor der Dämmerung und die nahe Düne zu besteigen. Müesli ist danach unser Weihnachtsmenü, weil wir nicht mehr kochen mögen. Den Abend verbringen wir mit Jacke draussen bei sensationellem Sternenhimmel. So sieht Weihnachten aus in der Wüste.

Die folgenden 12 Tage werden wir sicherheitshalber zusammen verbringen: 6 Fahrzeuge und mit total 11 Personen inklusive unseren Tourguides.

Gleich zu Beginn unseres Abenteuers auf Sand steht ein vertieftes «Sandtraining» auf dem Programm mit einer Einführung, wie man das Gelände und seine Beschaffenheit «lesen» kann. Eine grosse Dromedar-Herde findet das überflüssig, gesellt sich zu uns und beschnuppert uns. Einige lassen sich gar kraulen. Nach dieser Unterbrechung geht das Training los: Jeder soll sich «seinen» Weg selbst suchen durch die Hügel. Aber schon nach 30 Metern passiert uns das, was wir unbedingt vermeiden wollten. Wir bleiben stecken. So schnell kann es gehen. Aber wir bekommen Hilfe und Anleitung, können so ruhig bleiben und sind bald wieder «raus». Von da an gibt es keine Probleme mehr an diesem Tag und das Fahren macht gar ein wenig Spass. Wir sind erleichtert, dass wir so «fit» sind für die Dünenfahrt.

🚐: Wie habe ich mich darauf gefreut, mal auf Sand zu fahren. Doch meine zwei Kulturhüpfer haben es beim ersten «Weg suchen und fahren» schon nach wenigen Metern geschafft, meine Füsse einzugraben. Ich konnte strampeln, wie ich wollte. Dann lassen sie mir auch noch so viel Luft raus, dass ich Plattfüsse bekomme. Aber judihui, das hilft und ich war wieder flott.

Wer nun erwartet, dass unsere Wüstenexperten vorausfahren und alle Teams ihren Spuren folgen, liegt falsch. Eine Sandwüste verändert sich laufend. Eine Route, die vor einem Monat noch befahrbar war, könnte verweht sein. Und so sieht ein Normaltag bei uns aus: Gemeinsamer Start etwa um 9.30 und einer fährt voraus. Beim ersten Dünengürtel anhalten, ausschwärmen, Weg suchen, Meinungen austauschen, Risiko besprechen, Route vereinbaren, zurück zu den Autos und weiterfahren – und das bei fast allen Dünengürteln. Einfach unterbrochen durch einen Verpflegungsstopp über die Mittagszeit. Etwa um 15 Uhr Erreichen eines schönen Übernachtungsplatzes, Platz suchen in einem Gelände, das immer so gross ist, dass man allein sein kann, Einrichten für den Abend und danach die nächste Düne besteigen für den Sonnenuntergang. Fitness und Romantik pur. 😊

Apropos Risiko: Eine Stelle hätten wir befahren können, aber jeder hätte nur einen einzigen Versuch gehabt. Ein Fahrfehler eines Teams hätte genügt, so festzustecken, dass eine aufwändige Bergung nötig und die ganze Gruppe blockiert gewesen wäre. Wir haben darauf verzichtet, sind zum Übernachtungsplatz zurückgekehrt und haben einen neuen Durchgang gesucht. Übrigens haben sich ALLE mehrmals in den Sand eingegraben. Das bedeutet, den Reifendruck nochmals zu senken, die Räder vom Sand freizuschaufeln (unterstützt von allen Teams), Sandbleche auslegen, die Differentialsperre zu aktivieren und es dann erneut zu probieren. So sind wir zu Spezialisten für unseren Reifendruck auf Sand und Piste geworden.

🚐: Durch all die Dünen habe ich solch einen Durst entwickelt, dass ich zur nächsten Tankstelle drängte. Doch dort, wo mir eine versprochen wurde, war keine. Meine Sanddünen-Schumis mussten auf Betteltour bei meinen Mitreisenden gehen. Hätten sie keine 30 Liter von meinem Lebenselixier bekommen und diese nicht mit der Handdieselpumpe von Tank zu Tank «transferieren» können, wäre ich verdurstet☹️.

Nach 12 wunderbaren Tagen in der Abgeschiedenheit und den grandiosen Dünenlandschaften sind wir froh, wieder in der Zivilisation zu sein, das Arabische Meer (als Teil des Indischen Ozeans) zu sehen und uns in Salalah ein paar Tage Ruhe am Strand und den Luxus eines Hotels zu gönnen.

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