5350 Km von Zuhause zum Treffpunkt
🚐: Ich habe Übergewicht und meine Mitreisenden wissen nun auch, wieviel 🫢☹️. Sie setzen mich deshalb auf Diät und füttern mich nur noch wenig aufs Mal. Nicht auszudenken, was passiert, wenn ich unterwegs auf die Waage müsste. Bis Ungarn müssen wir kommen, danach sollten keine Kontrollen mehr drohen, sonst…
Kaum gestartet, wartet schon der erste Nervenkitzel auf uns: Bekommen wir das Iran-Visum in München in Anbetracht der politischen Situation und unserer persönlichen Ausgangslage? Und wenn ja, wie läuft das ab? Unsere Anträge werden von einem freundlichen Herrn lächelnd entgegengenommen und bearbeitet. Schon nach kurzer Zeit halten wir das Visum in den Händen. Problemlos und sehr sympathisch, jedenfalls eine schöne Visitenkarte des Irans. Und wir haben uns so viele Gedanken und Sorgen darüber gemacht😊…
Noch ist unsere neuerworbene Wasseraufbereitungsanlage nicht komplett. Wir müssen den UV-Bestrahler «Helion» noch beim Hersteller im Raum München abholen – inklusive den mündlichen Benutzungsanweisungen. Dass das Gerät, das er uns mitgeben will, bei der Demo nicht funktioniert, hat ihn noch mehr rotieren lassen als uns – bis er erkannte, dass er die Batterie zur Schonung ausgeschaltet hatte…
Der Besuch bei Freunden in Linz ist für lange Zeit die letzte Station in einem deutschsprachigen Land. So geniessen wir ihre Gastfreundschaft und die Kostprobe von ihrem selbstproduzierten Wein doppelt und erfahren bei der Führung durch ihre Vinothek, dass das Mass eines solchen Weinfasses früher die Dimensionen für den Schiffsbau vorgab, denn die Fässer mussten ein Schiff optimal ausnützen, neben- und übereinander.
Der direkteste Weg in den Süden führt uns durch Transsilvanien in die siebenbürgischen Hauptstadt Sibiu, die eine wunderschön renovierte, autofreie Altstadt rund um die Kathedrale hat. Trotz schlechtem Wetter überqueren wir den 2060 Meter hohen Panoramapass Transfagarasan mit seinen vielen, tollen Serpentinen und begegnen sogar einer Bärenfamilie (Mutter mit 2 Kleinen) am Strassenrand. Aber nur, weil sie von Touristen im vor uns fahrenden Auto gefüttert werden, obwohl davon eindringlich abgeraten wird.
Nach einigen sehr verregneten Tagen, an denen sich Rubi Flossen gewünscht hätte anstelle von neuen Wanderschuhen, erreichen wir das Marmarameer. Da hat Petrus endlich ein Einsehen und schenkt uns ein wenig Wärme für einen Tag Reisepause. Die nutzen wir, um unser Wasseraufbereitungssystem das erste Mal auszuprobieren. Und ja, hurra, wir schaffen es auf Anhieb, damit den Tank zu befüllen. Unser Glück ist leider nur von kurzer Dauer, denn der Tankdeckel ist innen nicht ganz dicht und es tropft unaufhörlich in den Innenraum… 😣. Also alles Wasser ablassen, Tankdeckel mit Isolierband dichten und dann alles von vorne – erfolgreich 🥳…
Geisterdörfer gibt es immer mal wieder. Aber ein Disneydorf aus 600 Schlösschen mit allem Komfort, das nicht fertig gebaut und nie bewohnt wird, ist doch etwas Spezielles. Burj al Babas heisst das Dorf. Es steht buchstäblich im Niemandsland und wurde ursprünglich für arabische Reiche gebaut. Schaut man sich ein solches Schlösschen aber genauer an, besteht jedes nur aus einem Betonskelett und der Rest ist aus Styropor als Deko, innen wie aussen. Und das für circa 500’000 US$ pro Schlösschen… Ist das der Grund, warum das ganze Gelände bewacht wird und sich niemand dieser kolossalen Geldverschwendung nähern soll? Wir werden jedenfalls von Mann mit Gewehr und freundlichem Hund vertrieben – die Fotos sind aber schon gemacht 😊.
Die Kalksteinterrassen von Pamukkale sind eines der touristischen Aushängeschilder der Türkei. Von unten leuchtet der ganze Berg blendend weiss und von oben sollten die unzähligen grossen und kleinen Becken mit Wasser gefüllt sein und blau scheinen. So wird es beworben. Leider hat es kein Wasser mehr in den unzähligen, kleinen Becken. Nur 5 grössere Becken werden künstlich geflutet für die Touristen zum Durchwaten. Vermutlich wurde einfach zu viel Wasser verbraucht wegen der Wasserknappheit und nun hält man den Touristen-Hotspot mit künstlicher Bewässerung am Laufen. Schon früh am Morgen sind eine Unmenge Cars mit noch viel mehr Asiaten anwesend. Sie inszenieren sich mit diversen farbigen Schals und Hüten als Accessoires, die sie offensichtlich mitgeschleppt haben. Auch wenn wir das nicht nachvollziehen können: Sie bringen wenigsten etwas Farbe in das Weiss.
Überraschenderweise sprechen die Türken soviel Englisch wie wir Türkisch. Nämlich gar nichts, auch die Jungen nicht. Mit Google-Translate schlagen wir uns durch. Und auch die Türken nehmen es sofort zur Hand. Vor 5 Jahren in Südamerika war Google Translate noch kein Thema. Heute gebrauchen es hier fast alle selbstverständlich. Hält das die Menschen vom Lernen einer Fremdsprache ab? Das ist eigentlich schade, denn so vergibt man sich die Chance auf einen vertieften Austausch.
Ein MUSS einer Türkei-Reise liegt im anatolischen Hochland: Kappadokien. In Urzeiten hat die aus einem Vulkan austretende Lava einen speziellen Stein geschaffen in Verbindung mit Sand und Asche. Die Erosion hat daraus eine fantastische Steinlandschaft geformt. Während der Bronzezeit (ca. 3000 vC) schlugen die damaligen Bewohner «Wohnungen» in den relativ weichen Fels. Diese lassen sich heute in mehreren Tälern erkunden. Dabei hat jedes Tal so seine Besonderheit.
Die Landschaft ist aber nur das eine, das Kappadokien zu einem so unvergesslichen Erlebnis macht: Jeden Morgen im Morgengrauen werden (bei günstiger Witterung) etwa 150 Heissluftballone an den Klippenrand eines Valleys hingefahren, aufgeblasen und mit grossen Körben für 20 – 30 Passagiere verbunden. Und nun kommt es auf die Position des Betrachters an: Ist man beim Start, steigen die Ballons auf und gleiten über einen weg, hinab in das Valley, wobei manche den letzten Busch der Klippe mit dem Korb streifen. Einer schwebt gar nur 2 Meter über unser Rubi hinweg ins Tal. Zeitweilig herrscht Dichtestress über dem Valley-Boden und die Ballons berühren sich. Ein fantastisches Bild. Auf der anderen Seite steigen sie wieder auf, und landen, wohin sie der Wind treibt.
Ist man aber auf der Seite bei der Landung, kommen einem nur wenige Meter über dem Boden 150 Ballons entgegen, die einen Landeplatz «ansteuern». Die Landung selbst ist absolutes Teamwork: 4 junge, kräftige Männer rennen zu einem Korb, packen und stabilisieren ihn auf dem Boden und schubsen ihn samt Passagieren auf einen Anhänger. Nach der obligaten Erstflugtaufe der Passagiere werden die wieder weggefahren, die Ballons werden entleert, zusammengerollt und auf den Anhänger gehoben – bereit für den nächsten Tag.
Und so sicher, wie die 150 Ballons aufsteigen, gibt es beim Startplatz auch Fotoshootings von Hochzeiten sowie von jungen Hübschen und etwas verblichenen Schönheiten in langen, farbigen Roben neben ihren farbigen, (gemieteten) Cadillacs, quasi als Nebenschauplatz bei Sonnenaufgang.
Ein Kloster bauen, na ja, das haben schon Viele geschafft. Aber eines, Kloster Sümela, das vor 1000 Jahren durch schutzsuchende Mönche aus einer Felsnische heraus entstanden ist und nachher etappenweise – wie am Fels klebend – ausgebaut wurde, sieht man äusserst selten.
Nun nähern wir uns dem Treffpunkt der Gruppe als Ausgangspunkt für die gemeinsame Tour nahe der Grenze zu Georgien, und damit der Diskussion, wie weiter. Die Drähte zwischen diversen Parteien laufen seit Anfang Oktober heiss und die Unsicherheit steigt. Kommt es zu weiteren kriegerischen Aktionen zwischen Israel und Iran? Was bedeuten die Einreisewarnungen und Ausreiseempfehlungen des EDA? Was passiert auf dem politischen Parkett? Kann man es wagen durch den Iran zu reisen? Sind die (meist) sehr teuren Autos im Iran noch versichert? Wer will abbrechen? Gibt es Alternativen? Und, und, und…
Auch wir sind emotional natürlich stark von dieser geopolitischen Situation betroffen, ist es doch seit langem wieder mal eine ganz spezielle Reise, auf die wir uns 1 Jahr lang vorbereitet haben und in dieser Zeit eine schwierige persönliche Situation ausgehalten haben, die uns auch zweifeln liess, ob wir wirklich losfahren können. Und jetzt sollen wir von äusseren Umständen gestoppt werden…
Ihr kennt uns gut genug, dass Ihr wisst, dass wir uns nicht vorsätzlich in eine gefährliche Situation begeben. Ihr kennt unsere Fähigkeit, flexibel und schnell zu reagieren und Ihr wisst um unser gutes Bauchgefühl, wann zu handeln ist. Wir werden selbstverständlich zeitnah berichten, wie es weitergeht…
Jetzt hoffen wir, dass wir sagen können: güle güle Türkiye (auf Wiedersehen Türkei), bis hoffentlich in 6 Monaten😊.
🚐: Übrigens: Was mein Übergewicht betrifft, kann ich Euch beruhigen: Ich bin im Moment im Nordosten der Türkei und wurde von der Polizei bisher nicht belästigt, musste also nicht umkehren. Von nun an werde ich bei jeder Gelegenheit gemästet 😋.