zwischen Sahara und Hohem Atlas
Wir befinden uns bei den Dünen des Erg Chebi. Der Himmel ist bedeckt und demzufolge leuchten sie nicht so, wie wir uns das wünschen. Ist aber kein Problem. Wir haben Zeit, schreiben den ersten Blog und warten auf blauen Himmel. Am späten Nachmittag ist es dann so weit: Bei Sonnenschein laufen wir die Dünen hoch, allerdings sandgestrahlt vom starken Wind. Wir sind berbermässig eingepackt und können so die wunderbaren Farben und Formen bis zum Sonnenuntergang geniessen. Die Heerscharen an Touris, die mit Bussen an den Fuss der Dünen gefahren oder mit Dromedarkaravanen hergeschaukelt werden, und von dort auf die parallel verlaufende Düne emporklettern, stören uns nicht. Die Quads und Motorräder, die laut knatternd hinauf- und hinabbrettern schon eher…
🐶Ein solch grosser Sandkasten ist ja schon toll, aber mit den grossen Buben, die auf ihren lärmigen Gestellen auf zwei und vier Rädern hinauf- und hinunterdonnern, kann man nicht vernünftig spielen… Bin ich glücklich und zufrieden in meinem kleinen, privaten Sandkasten!
Ein tolles Auto zu haben, mit dem man durch die Wüste fahren kann, ist das Eine, sich getrauen, das auch zu tun, das Andere. Also schliessen wir uns mit den zwei anderen Schweizer Paaren zu einem Konvoi zusammen, damit wir uns im Pannenfall gegenseitig unterstützen können. Unterwegs machen wir Halt in einem typischen Riad (Hotel) zum reichhaltigen Frühstücksbuffet. Mitten in der Steinwüste ist das ein besonderes Erlebnis 😊. Auf unsere Nachfrage rät uns Mustafa, der Hotelmanager, den Fluss nicht über die Hauptroute zu durchqueren, sondern die «Problemstelle» grossräumig nördlich zu umfahren. Leider kann er uns keinen Anhaltpunkt geben, wie wir die empfohlene Umfahrung erkennen können. Und so nehmen wir sein Angebot an, uns auf die andere Flussseite zu lotsen. Mit einem guten Gefühl erreichen wir die andere Seite, verabschieden uns von unserem Lotsen und folgen weiter der Hauptroute.
Nach wenigen Kilometern hören wir einen Peitschenknall: Rubis hinterer rechter Pneu ist geplatzt – und das in the Middle of Nowhere. Aus unserer Sicht das Worst Case Szenario, denn wir haben bisher weder einen Pneu selbst ausgetauscht ☹, noch unser Werkzeug selbst ausprobiert ☹. Marc und Jöel erkennen zum Glück sofort unsere Ohnmacht und übernehmen tatkräftig den Lead zum Montieren des Reserverads. Liliane und Elli unterstützen uns mental😊. Durch das Zuschauen haben wir aber ganz viel gelernt und würden uns im Wiederholungsfall nicht mehr ganz so hilflos fühlen. Hilfsangebote würden wir trotzdem sofort wieder annehmen 😉.
🐶 da lob ich mir doch meine Allwetter-Pfoten mit permanent 4×4 Antrieb, jederzeit mit richtigem Druck und die Spikes sind auch inklusive.
Auf vier intakten Rubipfoten steuern wir bei herrlichem Wetter durch eine wunderbare Landschaft, an Dromedar Herden vorbei, zu dem von Mustafa vorgeschlagenen Übernachtungsplatz: Ringsherum Sand, totale Stille, ein grandioser Sonnenuntergang und ein mondfreier Sternenhimmel ohne Streulicht einer Agglomeration. Fantastisch! Wir nehmen unseren Holzkohlegrill in Betrieb (Waldbrandgefahr kann keine herrschen 😊), braten unser Steak, das uns der Metzger auf dem Souk von einer hängenden Rinderkeule abgeschnitten hatte (Fleisch im Offenverkauf ist eigentlich ein Wahnsinn, aber es hat so gut ausgesehen) und teilen alles. Eine Schuhsohle haben wir übrigens nicht produziert und wir leben alle noch😉!
Wieder zurück in der Zivilisation brauchen wir eine Garage, die unseren defekten Pneu ersetzt. Wir finden sie zwei Tage später: Die Garagenwahl ist wie Roulette, die Pneuauswahl äusserst beschränkt, die Marke (türkisch) gänzlich unbekannt, die Herkunft (per Taxi von einer 100 Km entfernten Stadt) nicht beeinflussbar und der Preis eine Lotterie 🙈🙉🙊. Zudem müssen wir gleich zwei Pneus kaufen, damit wir auf beiden Seiten die gleichen befahren. Dass die Pneudruckmessventile danach vertauscht montiert sind und der Pneudruck nicht der Empfehlung des Herstellers entspricht, kann unsere Erleichterung nicht mindern, denn wir sind wieder fit für weitere Abenteuer 😊.
Der Weg hinauf in den Hohen Atlas durch die Gorges du Todra ist ein echtes Erlebnis. Wir erkunden die Schlucht zu Fuss durch die Oase, entlang der bewässerten Felder. Es ist offensichtlich: Sie bauen auf unfruchtbarem Land und kultivieren das fruchtbare. An der engsten Stelle hat nur noch die schmale Strasse und ein kleiner Bach Platz – und die Strasse teilt man sich gar noch mit den Händlern 😊. Eindrücklich sind die senkrechten, hohen Felswände auf beiden Seiten.
Wir klettern über einen 2750 Meter hohen Pass und erreichen eine bewohnte und bewirtschaftet Hochebene. Wo Wasser in einer Mulde zusammenfliessen kann, wird angepflanzt und dort gibt es auch Dörfer. Das Leben hier ist äusserst karg. Ab und zu treffen wir auf eine Schafherde. Bewunderungswürdig. Im Winter sind diese Wege verschneit und unpassierbar. Noch hat es vereinzelte Schneeflecken an den Hängen. Unser Rubi-Steinbock fühlt sich wohl in dieser Umgebung. Auf dieser Höhe finden wir auch einen Platz zum Wildcampen abseits von Behausungen und können so einen fantastischen Sternenhimmel und totale Stille geniessen. Mit Marc und Liliane geben wir uns wieder gegenseitig «Pannenbackup» und geniessen gemeinsame Jassabende. Was auf dem Weg zurück ins Dadèstal auf etwa 2600 Metern als breite, neugebaute Teerstrasse beginnt, wandelt sich abrupt in eine enge, steinige Fahrspur mit beeindruckenden Serpentinen. Wer kein Offroadfahrzeug hat, macht hier sein Auto um Jahre älter – und wir treffen ein paar davon an 😉.
Die Fahrt ist häufig sehr abwechslungsreich: mal Felsformationen, die aussehen wie ein Gehirn, mal Dörfer, die von imposanten, aus Lehm, Holz und Stroh gebauten Kasbahs (Lehmburgen) dominiert werden. Dann wieder verlassene oder zerfallende Häuser. Manchmal ist nicht mal klar ist, ob sie noch nicht fertig gebaut oder schon wieder am Zerfallen sind. Und nebendran wird eifrig weitergebaut…
Dass wir erneut am Rand der Sahara angekommen sind, zeigt uns ein Wegweiser, der früher den Kamel-Karawanen die Richtung nach Timbuktu (Mali) gezeigt hat: Vor uns liegt die Wüste und drei verschiedene Routen, sie zu befahren: eine geteerte Nationalstrasse, eine Schotterstrasse und eine Sandpiste, wobei die Sandpiste landschaftlich die schönste sein soll. Wir «Wüstengreenhörner» getrauen uns immer noch nicht, alleine loszufahren und schliessen uns erneut mit Marc und Liliane zu einem Konvoi zusammen und engagieren einen Guide, dem wir folgen können. So erleben wir unbeschwert ein unvergessliches Wüstenabenteuer mit einem sagenhaft schönen, wildromantischen Übernachtungsplatz unter einem schattenspendenden Baum inmitten von reichlich Saharasand 😊. Den Weg zwischen auch kleineren Dünen zu finden, entpuppt sich als gar nicht so einfach, der Guide hat sich auf jeden Fall gelohnt und wir haben richtiges Sandfahrtraining genossen und damit unser Selbstvertrauen gestärkt.
Wie schnell können doch Pläne zur Weiterreise Makulatur werden. Da braucht es nur ein medizinisches Gerät, das eine Störung anzeigt und einen (Schweizer) Kardiologen, der umgehend zur Abklärung in einer spezialisierten Klinik rät, und schon ist man unterwegs zum empfohlenen Spital in Casablanca. Nach 575 Km durch Anti Atlas und Hohen Atlas wird man an einem Freitagabend mit der medizinischen Wirklichkeit des Gastlandes konfrontiert: Es ist Ramadan und alle haben Hunger. Deshalb «schliesst» die Notfallabteilung. Dann ist Samstag und der einzige Spezialist ist im Wochenende. Und man stellt fest: nicht alles, was auf der Homepage steht, kann man in Marokko haben – auch nicht mit genügend Geld. Daraus wird kurzentschlossen ein Trip in die Schweiz zur zum Glück erfolgreichen «Störungsbehebung» mit Rückflug. Damit sind wir und Rubi wieder fit für weitere Abenteuer in Marokko😊. Mehr darüber im nächsten Blog.