Juhuii, ych darf Schiffli fahre !
Das habe ich mir aber redlich verdient. Nach der herrlichen Jungfernfahrt und der unerwarteten Wintertaufe bekam ich zwar eine Erholungspause verordnet – nur um diesen Sommer intensiv als Zügelkiste missbraucht zu werden für alles, was man zerlegen kann. Und das ist sehr, sehr viel. Mein Bauch war regelmässig so gefüllt, dass ich dabei fast in die Knie gegangen wäre. Zum Glück habe ich diese Tortour schadlos überstanden.
Wie haben meine zwei Untermieter dafür geschuftet, bis mein Abfahrtstermin wirklich feststand. Es wurde von der Reederei fast wöchentlich angepasst. Jetzt ist es auf den 18. September vorgesehen. Die haben auch ein anderes Schiff aus dem Hut gezaubert. Erst sollte ich mit der Grande Argentina reisen. Nun muss ich mich mit der Grande Amburgo begnügen. Allein vom Namen her ein beträchtlicher Abstieg. Wahrscheinlich aus reiner Nervosität haben sich mich täglich gemästet. Was da nicht alles in meinem Bauch versorgt wurde – und nicht mal das Wertvolle! Das transportieren sie in einem separaten Koffer per Flugzeug. Aus Angst, es könnte gestohlen werden, denn die Reederei verlangt nicht nur den Autoschlüssel, sondern auch die Schlüssel zu meinem Innern. So könnte also jeder Hafenmitarbeiter etwas mitlaufen lassen. Ein grässlicher Gedanke. Ich hoffe, dass ich nicht als ausgeweidetes Reh am Ziel ankomme.
Meine Mitreisenden wollten unbedingt 2 Velos mit auf die Reise nehmen. Sie waren aber zu gross, um sie in meinem «Kofferraum» zu verstauen. Deshalb haben Sie mir dafür einen «Rucksack» gekauft, den sie auf meiner Rückseite montiert haben. Am Tag vor der Abfahrt sind sie dann mit mir auf eine Waage gefahren. Wieviel meine Untermieter selbst auf die Waage bringen, haben sie nicht verraten. Mein Übergewicht aber hat zu intensiven Diskussionen geführt. Deshalb haben sie schweren Herzens kurzerhand den Rucksack wieder abmontiert. Zum Glück, denn er hat mir meine gute Linie geraubt. Jetzt sehe ich wieder rank und schlank aus. Und phantastisch sauber, wie von der Reederei verlangt. Ich wurde von den Auto-Kosmetikern richtiggehend verwöhnt: abgespritzt, geschrubbt, gebürstet und geföhnt. Hätte ich noch meine Sommersandalen getragen, hätten sie mir sicher noch die Fussnägel schön lackiert. Aber mit den kürzlich montierten Bergfinken war das nicht mehr sinnvoll.
Meine Seereise nach Montevideo dauert ca 5 Wochen. Um den Trennungsschmerz ein wenig zu lindern, fuhren wir zu Dritt gemütlich nach Antwerpen. Jetzt stehe ich etwas verloren im Hafen auf dem Parkplatz und warte darauf, bis mir das Hafenpersonal mein Plätzchen auf dem Schiff zuweist. Ich fühle mich etwas heimatlos, denn ich kenne niemanden um mich herum. Wenn wir dann mal den Hafen verlassen haben, wird sicher die Bar bald geöffnet. Dann werde ich mir ein paar Bierchen genehmigen. Natürlich alkoholfrei. Ehrensache. Darauf habe ich mich schon ein wenig vorbereitet, denn ich weiss, dass man bei der Abfahrt in Belgien «Santé» sagt und bei der Ankunft in Montevideo «Salud». In dem Sinne: Hasta luego !